Interview mit dem Internetmagazin quick and dirty
Die Fragen stellte Mario Filsinger
Weitere Interviews, die unsere Meinung zum Thema Arbeit und unsere Intentionen erläutern, warum es die Absageagentur gibt.
Mit dem Leipziger Stadtmagazin Kreuzer. Interview_Leipzig
und mit der italienischen Internetzeitschrift InvisibiliInterview_invisibili
Zuerst einmal: was und wer steckt hinter der Absageagentur?
Die Absageagentur ist eine Dienstleistungsagentur von Thomas Klauck und Katrin Lehnert, die kostenlos Absagen an Stelle von Bewerbungen an Unternehmen verschickt. Anstatt sich also einem Jobangebot anzubiedern, sagen wir im Auftrag unserer "KundInnen" gleich ab.
Ist die Absageagentur eine direkte Reaktion auf eigene Erlebnisse? Wenn ja, welche fallen Euch da ganz spontan als die herausragendsten ein?
Da wir selbst Lohnabhängige sind, ist die Absageagentur auch aus persönlichen Beweggründen entstanden. Jeder, der seine Arbeitskraft verkaufen muss und sich noch nicht ganz den kapitalistischen Verwertungsprozessen untergeordnet hat, kennt das Gefühl, unter materiellem und psychischem Druck zu stehen. Das gilt sowohl für Arbeitssuchende, Arbeitende und Arbeitsverweigerer. Wir denken ganz konkret an Vorstellungsgespräche, in denen wir unsere eigene Persönlichkeit verbiegen mussten, Arbeitssituationen, in denen unsere Fähigkeiten für wenig Lohn ausgebeutet wurden oder das Gefühl, den Launen des Fallmanager auf dem Arbeitsamt ausgeliefert zu sein.
Wann habt Ihr die erste Absageagentur aufgemacht und wie kann man sich Eure Tätigkeit vorstellen?
Wir helfen bei der Formulierung von Absageschreiben und verschicken sie kostenlos an die Arbeitgeber. Zumindest war es uns möglich, mit Hilfe von Fördergeldern diesen Service Anfang 2005 in unserem Büro in Kreuzberg und Ende 2005 in der Galerie Nord in Berlin anzubieten. Darüber hinaus konnten wir im Rahmen von Aktionstagen für unsere "Kund/innen" Absagen kostenlos versenden. Vom 14. bis 24. September 2006 werden wir unseren Service wieder in Berlin im Rahmen der MusterMesse des Theaterdiscounters anbieten können.
Wir haben drei Standartformulierungen entwickelt, sind aber besonders erfreut über die vielen selbst formulierten Absagetexte unserer Kunden, die man auf unserer Internetseite (www.absageagentur.de) nachlesen kann. Das Spektrum der Kritik reicht dabei von der Ablehnung des Prinzips Arbeit überhaupt bis zur Kritik von einzelnen Arbeitsbedingungen. Wir hoffen, durch diese konkrete Tätigkeit die Perspektive der Lohnabhängigen, Scheinselbständigen und Kleinstunternehmer innerhalb des gesellschaftlichen Diskurses über Arbeit sichtbarer zu machen. An diese richtet sich auch unser Service, denn sie müssen ihre Arbeitskraft zu immer schlechteren Bedingungen verkaufen und viele von ihnen werden überhaupt nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt gebraucht. Dennoch werden sie gezwungen zu arbeiten. Auf diese Entwicklung wollen wir aufmerksam machen und veröffentlichen daher die geschriebenen Absagen auf unserer Internetseite, bei Aktionstagen, Ausstellungen usw. Wir versuchen, eine Diskussionskultur über dieses Thema zu etablieren, um den Lohnabhängigen wieder eine stärkere Position zu verschaffen und sich schließlich als Lohnabhängige abschaffen zu können.
Mit welchem Resultat?
Eine gewisse Öffentlichkeit haben wir erreicht (siehe die Presseberichte auf unserer Internetseite), wenn diese auch selten das oben erwähnte gesamte Spektrum unserer intendierten Kritik reproduziert haben. Durch Vorträge, Filmveranstaltungen und Diskussionsabende versuchen wir das zu ergänzen. Und wir hoffen, dass wenigstens bei einigen Lohnabhängigen unsere Aktion wieder ein Bewusstsein für den Wert ihrer eigenen Arbeitskraft schafft. Heutzutage soll man ja für jeden schlecht oder überhaupt nicht bezahlten Job, der vielleicht auch noch unnütze Produkte oder Dienstleistungen bereitstellt, dankbar sein. Zu solchen Zumutungen "nein" sagen zu lernen und nicht alles mit zu machen, vielleicht haben wir dazu ein wenig beigetragen.
Seit einigen Monaten gibt es einen von Peter Krobath initierten Ableger der Absageagentur in Österreich, das Absageservice, der unsere Gedanken auch dort verbreitet.
Wenn Ihr euch selber bewerben solltet, was kommen/kämen da für Reaktionen, wenn die Personaler den Punkt "Absageagentur" im Lebenslauf lesen?
Das käme sicherlich darauf an, wo man sich für was bewerben würde. Doch soweit wir davon wissen, wurde in den Personalbüros größtenteils über die Absagen geschmunzelt.
Haben Personaler überhaupt Humor?
Sicherlich haben einige Humor, aber sie stecken dabei auch nur in einem kapitalistischen Verwertungsprozess und können nur schwer aus ihrer Haut. Auch sie sind häufig Lohnabhängige. Uns geht es wie gesagt mehr darum, diejenigen zum nachdenken anzuregen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Wenn allerdings auch der ein oder andere Personalleiter ins Nachdenken gerät, ist das sicherlich begrüßenswert.
Wie bewertet Ihr das große Buhei um "die richtige Bewerbung", Peter Mühlbauer spricht in seinem Artikel für Telepolis ja von modernem Primitivismus?
Jeder ist natürlich gezwungen, sofern er nicht über genügend Kapital verfügt, seine Arbeitskraft zu verkaufen. Da zumindest bei uns immer weniger davon benötigt wird, wird der Konkurrenzkampf um die Stellen größer und die Personalbüros bekommen mehr zu tun. Resultat dieses Konkurrenzkampfes ist es auch, dass die Hürden für einen Job größer werden. Der Diskurs um die richtige Bewerbung befördert diese Entwicklung. Das ist natürlich ein Schauplatz, der von den eigentlichen Problemen ablenkt.
Welche waren die besonders erschütternden, bzw. bewegenden Ereignisse in Zusammenhang mit der Aktion "Absageagentur"?
Toll finden wir es, dass so viele Leute sich die Zeit genommen haben, solch großartige Absagen zu schreiben. Bewegend sind immer wieder persönliche Erzählungen und das instinktive Verstehen unserer Aktion von so vielen Leuten. (Siehe unser Gästebuch auf unserer Internetseite).
Wie geht es weiter mit Euch, werdet Ihr der Bundesagentur für Arbeit gleich auch Fernsehsendungen im Öffentlich-rechtlichen (Siehe den Artikel auf heise.de) subventionieren?
Ja, aber im Gegensatz zur Arbeitsagentur wollen wir uns dabei nicht erwischen lassen und müssen daher darüber schweigen.
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